
In dieser mehrteiligen Serie möchte ich Euch das Thema Anleihen näher bringen. Mit dem „Basiswissen Anleihen“ erhaltet ihr einen ausführlichen Einblick in die Grundlagen eines Anleihen Investments mit verständlichen Begriffserklärungen und entsprechenden Beispielen.
Im ersten Teil geht es um die typischen Merkmale einer Anleihe.
Was ist eine Anleihe?
Anleihen sind sogenannte festverzinsliche Wertpapiere. Diese Art von Wertpapier verbrieft einen schuldrechtlichen Anspruch des Gläubigers auf Zins- und Tilgungszahlung durch den Schuldner. Der Gläubiger = Anleiheninvestor = Käufer stellt dem Schuldner = Verkäufer = Emittent für eine vorher definierte Laufzeit Kapital zur Verfügung, welches innerhalb der Laufzeit zum vereinbarten Satz verzinst wird. Im Unterschied zum Aktionär erwirbt der Käufer einer Unternehmensanleihe keinen Anteil am Eigenkapital, sondern überlässt dem Unternehmen ausschließlich Fremdkapital (welches im Insolvenzfall vorrangig zum Eigenkapital ist).
Merkmale einer Anleihe
Anleihen haben unterschiedliche Merkmale, die wiederum ja nach Emittent unterschiedlich ausgestaltet sein können. Die genauen Konditionen findet der interessierte Anleger in den Emissionsbedingungen bzw. (sofern vorhanden) im Wertpapierprospekt. Insbesondere bei Unternehmensanleihen sollte man diesen (quer) lesen, um vor unangenehmen Überraschungen (z.B. vorzeitige Rückzahlungsmöglichkeit des Emittenten) sicher zu sein.
Nominalwert
Der Nominal- oder auch Nennwert gibt die Höhe des dem Schuldner (zum Emissionszeitpunkt) überlassenen Kapitals in Euro (oder jeder andern Währung) an und ist die zentrale Bezugsgröße einer Anleihe. Der Nennwert wird für die Ermittlung der Verzinsung, des laufenden Börsenkurses und des Rückzahlungsbetrages herangezogen.
Mindeststückelung bzw. der Mindestanlagebetrag
Bei einer Anleiheemission wird vom Schuldner Fremdkapital in Millionen bzw. Milliardenhöhe aufgenommen. Um diese Summe am Kapitalmarkt überhaupt aufnehmen zu können, ist eine Stücklung in eine Vielzahl sogenannter Teilschuldverschreibungen erforderlich. Marktgängige Mindeststückelungen bzw. Mindestanlagebeträge sind 1.000, 50.000 oder 100.000 EUR. Anleihen mit einer Stücklung von 1.000 EUR sind für den „breiten Markt“ gedacht. Höhere Stücklungen bleiben ehre Institutionellen Investoren vorbehalten.
Exkurs: In letzter Zeit werden Unternehmensanleihen immer häufiger in „Kleinanlegerfreier“ Stücklung am Markt platziert. Beispiele hierfür sind ArcelorMittal (A1ZE3L), Schaeffler (A1ZH6S) oder Philip Morris (A1VFHT). Hintergrund hierfür ist, dass Emittenten erst ab einer Mindeststücklung von 100.000 EUR von der Pflicht zur Erstellung eines Verkaufsprospekts befreit sind. Unter Kosten- und Risikogesichtspunkten (Prospekthaftungsklage) ist diese Vorgehensweise durchaus nachvollziehbar.
Kurswert
Der Kurs einer Anleihe wird regelhaft in Prozent vom Nominalwert angegeben. Notiert eine Anleihe mit einem Nennwert von 1.000 EUR zu einem Kurs von 90 Prozent (unter pari), so muss man hierfür 900 EUR bezahlen. Der Kurs eine Anleihe kann auch über 100 Prozent (über pari) steigen. So beträgt beispielweise der Kurs der in 2017 fälligen Brasilienanleihe (193052) 128 Prozent. Mindeststücklung sind 1.000 EUR. Somit müsste man beim Kauf dieser Anleihe 1.280 EUR bezahlen.
Emissionskurs
Der Emissionskurs ist der Ausgabekurs der Anleihe. Er wird in Prozent vom Nominalwert angegeben.
Tilgungskurs
Der Tilgungskurs ist der Rückzahlungskurs einer Anleihe. Auch er wird in Prozent vom Nominalwert angegeben. In der Regel erfolgt die Tilgung zu 100 Prozent des Nominalwertes.
Zinssatz
Der Zinssatz einer Anleihe gibt an, wieviel Prozent Zinsen der Schuldner pro Jahr für das geliehene Kapital zahlen muss. Die Höhe des Zinssatzes ist insbesondere von der Kreditwürdigkeit des Schuldners abhängig. Er kann fest oder variabel (regelhaft Referenzzinssatz + Aufschlag) sein. Ein Wechsel von einer fixen zu einer variablen Verzinsung innerhalb der Laufzeit ist dabei grundsätzlich möglich. Die Berechnung der zu zahlenden Zinsen erfolgt stets auf Basis des Nominalwertes und ist somit unabhängig von der Kursentwicklung der Anleihe.
Zeitpunkt der Zinszahlung
Es gilt zwischen einer fortlaufenden und einer endfälligen Zinszahlung zu unterscheiden. Bei einer fortlaufenden Zinszahlung erfolgen die einzelnen Ausschüttungen auf Quartals-, Halbjahres- oder Jahresbasis. Anders als bei Dividendenzahlungen (Kursabschlag am ex-Tag), hat eine Zinszahlung im Regelfall keinen Einfluss auf den Kurs einer Anleihe. Erfolgt die Zinsausschüttung erst am Ende der Laufzeit spricht man von einer sogenannten Nullkuponanleihe.
Beispiel Nullkuponanleihe: eine Anleihe mit zehnjähriger Laufzeit wird zu einem Emissionskurs von 80 Prozent verkauft. Die Rückzahlung erfolgt am Ende der Laufzeit zu 100 Prozent. Somit verfügt diese Anleihe über einen theoretischen Zinskupon von 2 Prozent p.a. Ohne Berücksichtigung weiterer externer Einflüssen, sollte der Kurs diese Anleihe jährlich um 2 Prozent steigen.
Stückzinsen
Erfolgt der Kauf einer Anleihe nicht zum Emissions- oder Zinszahlungszeitpunkt, muss der Käufer dem Verkäufer zusätzlich zum reinen Kaufpreis die bis zu diesem Tag aufgelaufenen Stückzinsen vergüten. Ausnahmen hiervon sind die vorgenannten Nullkuponanleihen sowie Genussscheine. Steuerrechtlich sind gezahlte Stückzinsen negative Einkünfte aus Kapitalvermögen. Diese werden in den sogenannten Stückzinstopf eingestellt und können mit (gleichartigen) positiven Einkünften verrechnet werden.
Berechnungsbeispiel: Kauf einer Anleihe (1.000 EUR nominal zu 102 Prozent = 1.020 EUR) am 12.05.2014. Die 8 prozentige Verzinsung (80 EUR) wurde zuletzt am 10.02.2014 bezahlt. Es sind 91 Stückzinstage angefallen. Die zu zahlenden Stückzinsen belaufen sich auf 19,95 EUR (80 EUR / 365t * 91t). Der Kaufpreis beträgt somit 1.039,95 EUR. Die jeweils gültige Zinsberechnungsmethode ist dem Wertpapierprospekt zu entnehmen.
Laufzeit
Anleihen haben regelhaft eine feste Laufzeit. Ähnlich wie der Häuslebauer, so muss auch der Anleihenschuldner das Fremdkapital (Kredit) zum vereinbarten Zeitpunkt zurückzahlen. Die Rückzahlung erfolgt in aller Regel am Ende der Laufzeit. In seltenen Fällen kann auch eine ratierliche Rückzahlung des Kapitals erfolgen. So wird beispielweise die im Oktober 2017 fällige Anleihe der Provinz Buenos Aires (A0GJKZ) seit Oktober 2012 in 10 halbjährlichen Raten zurückgezahlt. Ausgenommen hiervon sind die sogenannten „ewigen“ Anleihen (nachrangige Unternehmensanleihe ohne Laufzeitbegrenzung). Bei dieser Art der Anleihe erhält der Anleiheninvestor nur die vereinbarte Zinszahlung. Eine Rückzahlung des Fremdkapitals erfolgt nur bei Emittentenkündigung.
Rating
Die Kreditwürdigkeit (Bonität) eines Schuldners wird regelhaft von externen Ratingagenturen ermittelt und mittels Buchstaben/ Zahlenkombination in einzelne Ratingklassen eingeteilt. Schuldner mit dem höchsten Rating (z.B. Deutschland mit AAA) erhalten am Markt günstigere Konditionen (Zinssätze) als Schuldner mit geringerem Rating (z.B. Venezuela mit CCC+). Doch leider sind auch Ratingagenturen nicht unfehlbar. So wurde beispielsweise die Bank Lehman Brothers von der Ratingagentur „S&P“ noch im Sommer 2008 mit A+ als eine quasi sichere Anlage bewertet. Im September 2008 musste Lehman Brothers einen Insolvenzantrag stellen. Ähnliches passiert derzeit am Markt für Mittelstandsanleihen. Laut einem FAZ-Artikel haben „selbst die mittlerweile ausgefallenen Anleihen über relativ gute Ratings verfügt.“ Ferner war „der Zeitraum zwischen Emission und Insolvenz vergleichsweise kurz“.
Nicht zuletzt aus diesem Grund sind Ratings für mit nur eine erste Orientierung im Rahmen meiner Anlageentscheidung.
Hallo Geldsack,
ich habe die ganze Reihe „Basiswissen Anleihen“ sehr interessiert gelesen. Bislang halte ich mich noch zurück mit dem Kauf von Anleihen, einfach weil mir noch nicht wirklich klar ist, woran ich „gute“ Anleihen erkenne. Hast du selbst vielleicht persönliche notwendige Kriterien, die eine Anleihe erfüllen muss, um in dein Depot zu dürfen? Oder Faustregeln, die es zu beachten gibt (wie z.B. dass bei Aktien ein hoher KGV ein eher schlechtes Zeichen ist)?
Aktuell bist du jedenfalls mein favorisierter Finanzblog.
Viele Grüße, Alex
Hallo Alex,
vielen Dank für Deinen Kommentar und die Blumen ;-).
So blöd es kingt eine gute Anleihe ist die, die am Laufzeitende auch zurückgezahlt wird. Das heißt es kommt immer auf die Zahlungsfähig- und Zahlungswilligkeit des Schuldners an.
Bei der Anleihenauswahl lasse ich ich mich als erstes von der Rendite leiten. Diese gibt schon mal eine sehr gute Indikation, wie „Mr. Market“ die Zins- und Rückzahlungswahrscheinlichkeit sieht. Hierbei gilt natürlich die alte Börsenregel „je höher die Rendite, desto höher das Risiko eine Zahlungsausfalls“. Hier solltest Du Dir einen entsprechenden „Renditekorridor“ definieren und dann in die weitere Analyse gehen. Bei Unternehmensanleihen schaue ich mir die Zahlen an. Wichtige Kennzahlen sind Verschuldung, Fälligkeitsprofil und Cashflow aus dem operativen Geschäft. Ferner mache ich eine mehr oder weniger umfangreiche Recherche in Sachen Geschäftsmodell und auf aktuelle Meldungen/ Ereignisse. Ratings interessieren mich nur ganz am Rande. Daher investiere ich z.B. nicht in Mittelstandsanleihen. Sicherlich gibt es hier auch die ein oder andere Perle, jedoch überwiegen aus meiner Sicht die Risiken. (siehe aktuell MS Deutschland, wo man nicht mal sicher ist, ob die Schiffshypothek überhaupt bestand hat). Bei Staatsanleihen gehe ich ähnlich vor. Neben den Zahlen schaue ich hier auf die „politische Großwetterlage“.
Hoffe das hilft Dir ein wenig.
Gruß
Anton
Dankeschön für die Antwort, jetzt weiß ich schonmal, welche Begriffe ich googlen muss.
Du hast irgendwo erwähnt, dass du die durchschnittliche Anzahl der Kommentare gerne auf 1 Kommentar pro Artikel bringen würdest. Das nutze ich als Anlass um dir direkt ein paar weitere Frage zu stellen. Ich habe nämlich wirklich niemanden in meinem Umfeld, der sich mit Anleihen auskennt:
Du hast auch ein paar Perpetuals in deinem Depot mit Notizen wie „jährlich kündbar zum Datum X“. Wie läuft so eine Kündigung ab? Kündigung klingt so nach Brief an jemanden schreiben müssen.
Allgemein habe ich noch nicht ganz verstanden, wie das abläuft falls man nicht warten möchte/kann bis die Anleihe ausläuft. Bekommt man in so einem Fall sein ganzes investiertes Geld zurück, oder nur den aktuellen Kurswert?
Geht das eigentlich oder ist eine Anleihe wie Festgeld?
Und überhaupt: Wenn der Nominalwert einer Anleihe 1000 ist, ich aber aufgrund des Kurses nur 800 bezahlt habe und die Anleihe dann irgendwann ausläuft, bekomme ich dann 1000 oder 800? Das scheint wohl so sehr allgemein bekanntes Grundwissen zu sein, dass ich irgendwie nirgendwo die Antwort auf diese Frage finde.
Lieben Dank schonmal
Alex
Alex, immer her mit den Fragen 😉
Die Kündigung eines Perpetuals wird dem Anleger „schriftlich“ mitgeteilt. Regelhaft erfährst Du das auf den jeweiligen IR-Seiten des Unternehmens oder auf den einschlägigen Ad-Hoc-News Portalen. Solltest Du all diese Infos verpassen erfährst Du spätestens beim Blick auf den Kontoauszug. 😉
Anleihen kannst Du börsentäglich verkaufen, sofern ein entsprechendes Listing existiert (in Einzelfällen kanst Du die Anleihen = Schuldverschreibungen auch direkt beim Schuldner verwalten lassen. Eine vorzeitige Rückgabe ist in solchen Fällen nur bedingt möglich). Wenn Du Anleihen vor dem Fälligkeitstag verkaufst, bekommst Du „nur“ den aktuellen Kurswert. Um Dein Beispiel aufzugreifen: Du hast die Anleihe vor einem Jahr zu 80 % = 800 Euro gekauft. Aus diversen Gründen notiert die Anleihe heute bei 70 % = 700 Euro. Du brauchst dringend Geld und verkaufst mir (über die Börse) die Anleihe. Dafür bekommst Du von mir 700 Euro – machst also 100 Euro Verlust. Hälst Du hingegen die Anleihe bis zum Rückzahlungszeitpunkt (z.B. im nächsten Jahr) bekommst Du vom Schuldner 100 % = 1.000 Euro zurück. Somit hast Du 200 Euro (+ Zinsen) Gewinn erwirtschaftet.
Gruß
Anton
Ach! Das mit den Perpetuals habe ich völlig falsch verstanden. Ich dachte ich als Anleger bin derjenige, der kündigen kann. Wieder was gelernt 😀
Was bedeutet es, wenn du sagst, dass ein entsprechendes Listing für die Anleihe existieren muss, damit ich sie verkaufen kann? Sagen wir, ich habe eine Anleihe, deren Kurswert kurz vor Ablaufdatum bei 2000 liegt, also 100% über Nominalwert. Ich will also die Anleihe vorher schnell verkaufen. Geht das so einfach oder grätscht mir da die Sache mit den Listings rein?
Listing bedeutet, dass die Anleihe Börsegehandelt sein muß. Das sind die berühmten 99 Prozent der Anleihen. Sofern Du also einen Käufer findest, der dir „kurz vor Fälligkeit“ 200 Prozent für die Anleihe zahlt kannst Du sie zu diesem Preis verkaufen. Wobei der Kurs der Anleihe sich mit herannahendem Fälligkeitstermin regelhaft der 100 Prozentmarke annähern wird …
Vielen lieben Dank! Mein Wissensdurst ist vorerst gestillt